Der daktylogrammierte Gegenstand

Der daktylogrammierte Gegenstand – ein individualisiertes Produkt. Der praktische Gebrauchswert eines Produkts scheint für den Konsumenten von heute weniger wichtig zu sein, als die damit verbundenen Botschaften. Ein Produkt soll für den Besitzer sprechen – es sagt, dass man jemand ist oder wer man sein möchte – und festigt so das Selbstbild. Diesem Bedürfnis kommen immer mehr Firmen entgegen, indem sie auf den Kunden zugeschnittene Produkte anbieten. So kann sich heute schon fast jeder einen “individuellen” Turnschuh leisten, sich seine “persönliche” Uhr kreieren lassen oder das “auf den eigenen Körper abgestimmte” Kosmetikprodukt bestellen. Es stellt sich die Frage, welcher Bezug zwischen den vermeintlich einzigartigen Produkten und ihren Besitzern besteht. Die konzeptionelle Arbeit “Der daktylogrammierte Gegenstand” greift diese Fragen auf und stellt das Phänomen des individualisierten Produkts in den Mittelpunkt.

daktylos (griech.): “Finger” / gramm (griech.): “Geschriebenes, Schrift(-zeichen)”. Das fiktive Adjektiv “daktylogrammiert” impliziert, was es mit den Objekten dieser Arbeit auf sich hat: Ihre Gestalt wird durch die computergesteuerte Umwandlung des “Kunden-Fingerabdrucks” festgelegt. Dies geschieht mit einem herkömmlichen Fingerabdruck-Scanner, der die Informationen des hochkomplexen Körperteils aufnimmt. Das Gerät tastet die Oberfläche der Fingerkuppe ab und errechnet aus den markanten Punkten eine Zahlenreihe. Daraufhin durchlaufen die Zahlen verschiedene Systematiken, welche die Gestalt des jeweiligen Produkts festlegen. (Für jeden Produkttyp existiert eine eigene Regel zur Verarbeitung der Daktylozahlen.)Da die Individualisierung eines Produkttyps erst durch den Vergleich mehrerer Exemplare wahrgenommen werden kann, wurden sie jeweils für drei Personen gefertigt und mit einem entsprechenden Farblabel gekennzeichnet. Auf diese Weise kann der Betrachter nach den vermeintlichen Parallelen zwischen Produkttyp und “Auftraggeber” suchen. Die hier vorgestellten Objekte führen die Vorstellung eines persönlichen Produkts ad absurdum, denn das Erscheinungsbild, sowie der praktische Nutzen eines daktylogrammierten Gegenstands ist für den Konsumenten eine Überraschung.
Wer beispielsweise ein daktylogrammiertes Keramikgefäß bestellt, dem ist zum Zeitpunkt des Auftrags unbekannt, wozu er dieses benutzen kann. Die Daktylo-Zahlen erscheinen nicht nur als Rillen an der Oberfläche der Objekte, sondern bestimmen gleichzeitig den Füllpegel der Gussform. Ein hoher Pegel erzeugt eine Vase – ein niedriger einen Trinkbecher.
Bei den daktylogrammierten Teppichen rückt die Benutzbarkeit ebenfalls zugunsten der Individualisierung in den Hintergrund. Mit den “Fingerabdruck-Zahlen” werden verschieden große Kreise zu einer wolkenartigen Form angeordnet. Es bleibt offen, wie sich diese Wolke formieren wird und ob sie in das dafür gedachte Zimmer passt. Der Impuls für den Auftrag eines daktylogrammierten Produkts wird durch den Wunsch nach dem Besonderen gegeben. Der Konsument gibt durch das Scannen seiner Fingerkuppe den Startschuss zur Herstellung seines Produkts. Bevor er das Resultat in den Händen hält, wird er vermutlich mehr darüber nachdenken, ob es seinem Image zuträglich sein wird, als dass es die anwendungsbezogenen Kriterien erfüllt.
Der Gebrauchswert einer daktylogrammierten Tasche kann extrem gering sein, denn unter Umständen entsteht beim Daktylogrammieren ein Behälter mit einer winzigen, unzugänglichen Öffnung – ohne Platz für Standardformate. Da die Form einer solchen Tasche nicht kalkulierbar ist, wird ein “wohlgeratenes” Resultat für den Auftraggeber umso bedeutsamer sein. Eine solche Tasche ist vielleicht unpraktisch – für den Besitzer ist sie dennoch der greifbare Beweis für seine Individualität.
Ein daktylogrammierter Spiegel fordert förmlich dazu auf, nach Ähnlichkeiten zwischen Objekt und Besitzer zu suchen. Während sich der Auftraggeber begeistert in seinen Produkten widergespiegelt sieht, schwankt der Beobachter des Szenarios zwischen Faszination und Argwohn. Auch er möchte wissen, wozu sein Fingerabdruck “im Stande ist” – gleichzeitig schockiert ihn der Gedanke, seine intimen Daten für einen Konsumartikel “herzugeben”. Es mag an den zahlreichen Assoziationen liegen, die der Fingerabdruck hervorruft. Einerseits ist das besondere Körpermerkmal ein Symbol für die Einzigartigkeit des Menschen. Andererseits erinnert es an Verbrecherkarteien und Überwachungssysteme – auf diese Weise provozieren die daktylogrammierten Gegenstände Fragen.
Die daktylogrammierten Armreife spiegeln die Zahlen des Fingerabdrucks als Streifen wider und erinnern dadurch an einen Barcode. Wird der Mensch durch ein solches Objekt auf eine Nummer reduziert?
Der daktylogrammierten Reisepass erinnert an den Elektronischen Reisepass der BRD, welcher den Fingerabdruck des Inhabers elektronisch speichert. Beim genaueren Betrachten stellt sich jedoch heraus, dass die biometrische Information des Besitzers lediglich dazu diente, den Einband des “Blanko-Dokuments” zu gestalten.
“Logofix” macht den Daktylogrammierungsprozess erlebbar. Es handelt sich um einen Dienstleistungsautomaten, der vorgibt, ein Objekt des öffentlichen Raums zu sein. Per Fingerabdruck produziert er “individualisierte Instant-Grafiken” – durch die unberechenbaren Ergebnisse ironisiert er die Individualität des Kunden.
Für die daktylogrammierten Stempel und Schals wurden die Logos des Automaten als Vorlage benutzt. Sie zeigen auf, wie das Zeichen zum uniformen Gestaltungsmittel der persönlichen Habseligkeiten wird.